Stellungnahme zu bestimmten Aspekten hinsichtlich Mikrotransaktionen und der Verwendung von Daten in Videospielen

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Die SIEA hat mit folgendem Schreiben zu den Fragen des westschweizer Konsumentenschutzes Stellung genommen:

Einleitung

Die Tatsache, dass die Hälfte der Menschen in Europa (im Alter zwischen 6 und 64 Jahren) Videospiele spielt, wobei das Durchschnittsalter der Spieler 36 Jahre beträgt und 45 % der Spieler Frauen sind, zeigt, dass Videospiele mittlerweile in allen Altersgruppen ein zentraler Aspekt unserer modernen Kultur sind. Die Videospielbranche steht für Transparenz und setzt sich dafür ein, Verbrauchern, Eltern und Spielern alle Informationen zukommen zu lassen, die sie für fundierte Entscheidungen benötigen.

Die Branche engagiert sich insbesondere für den Jugendschutz und hat bereits im Jahr 2003 das Alterseinstufungssystem PEGI gegründet. Die PEGI-Norm wird heute in über 35 europäischen Ländern angewandt und sorgt dafür, dass Verbraucher, Eltern und Spieler über die Inhalte von Videospielen und deren Eignung für bestimmte Altersgruppen informiert sind. Im Verlauf der letzten 18 Monate hat die Branche die Informationen verbessert, die den Verbrauchern im Zusammenhang mit In-Game-Käufen zur Verfügung stehen. Dies betrifft auch die sogenannten „Lootboxen“. Dank PEGI und der Abstimmung mit regionalen und internationalen Stellen für die Altersfreigabe war dies auf gesamteuropäischer und weltweiter Ebene möglich.

In-Game-Käufe sind nicht neu. Es gibt sie bereits seit über zehn Jahren. Die Käufe reichen von Saisonabos über neue Spielcharaktere, Kleidung und im Spiel verwendete Zahlungsmittel bis hin zu zusätzlichen Leben, dem schnelleren Erreichen höherer Levels und Lootboxen. Sie sind von entscheidender Bedeutung, um Verbrauchern mit ganz unterschiedlichem Budget ein unterhaltsames, kreatives und innovatives Spielerlebnis bieten zu können. Die zunehmende Bedeutung des „Free to Play“-Geschäftsmodells im Verlauf des letzten Jahrzehnts – das teilweise durch freiwillige Mikrotransaktionen finanziert wird – war ein massgeblicher Faktor für die Entwicklung der Videospielbranche, insbesondere im Online- und mobilen Bereich. Dieses Modell hat zahlreiche Möglichkeiten und die freie Wahl eröffnet, Spiele ohne jegliche Kosten oder Verpflichtungen auszuprobieren oder ganze Spiele zu spielen, ohne Geld auszugeben. Es hat weltweit Millionen Spielern aller Altersgruppen den Zugang zu neuen Erlebnissen ermöglicht.

Heute leisten Mikrotransaktionen einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung und gestatten es der grossen Mehrheit der Spieler, kostenlos oder zu sehr geringen Kosten zu spielen. Den Anbietern von Videospielen ermöglichen sie tragfähige Geschäftsmodelle für ihre weitere Tätigkeit. Gleichzeitig erwarten die Verbraucher nach der Markteinführung eines Videospiels mittlerweile regelmässige Aktualisierungen der Inhalte. Ausserdem müssen die Videospiele kontinuierlich Live-Services bieten.

Der Wunsch der Verbraucher nach neuen Funktionen, innovativer Grafik und Spielen, die sich mit der Zeit weiterentwickeln, führt zu einem exponentiellen Wachstum des Umfangs und der Komplexität der Videospiele, das sich in höheren Produktionskosten niederschlägt. Bei manchen Titeln hat sich der Kaufpreis trotz ständig steigender Produktionskosten, die manchmal mehrere Hundert Millionen betragen, seit fast einem Jahrzehnt kaum bewegt. Wie dies möglich ist, lässt sich teilweise mit zusätzlichen und optionalen Inhalten und Funktionen, die über Mikrotransaktionen erworben werden können, Saisonabos und anderen Techniken erklären. In-Game-Käufe – oder Mikrotransaktionen – helfen den Herstellern, den betreffenden Kundenwünschen nachzukommen und gleichzeitig die hohen Kosten zu tragen, die ihnen durch die Produktion der zusätzlichen Inhalte und der Bereitstellung der betreffenden Live-Services entstehen.

Auch wenn Mikrotransaktionen einen wichtigen Aspekt neuer digitaler Geschäftsmodelle darstellen, unterscheiden sie sich im Wesentlichen nicht von traditionellen Geschäftsmodellen, mit denen Verbraucher kleine Käufe tätigen und diese Dienste in den zur Verfügung stehenden Produkten nutzen können[1]. Obwohl Mikrotransaktionen ein wichtiger Teil der Spielelandschaft geworden sind, werden sie aber bei weitem nicht überall eingesetzt. Laut den jährlich durchgeführten Statistiken von PEGI und IARC enthalten 10 bis 20% aller durch IARC und PEGI bewerteten Videospiele Kaufmöglichkeiten im Spiel[2].

Beantwortung der Fragen

Die Videospielbranche setzt sich zugunsten der Transparenz für Verbraucher ein. Die durch die IARC bewerteten rein digitalen Spiele verfügen seit dem Jahr 2015 über einen Kaufdeskriptor/-hinweis, um den Verbraucher bereits vor dem Kauf über die Möglichkeit von In-Game-Käufen zu informieren. Seit dem Jahr 2018 ist diese Information über die PEGI-Einstufung auch auf traditionellen Spielen enthalten[3].

Im April 2020 hat PEGI eine spezielle Kennzeichnung eingeführt, mit der auf zufallsbasierte Kaufinhalte[4] in Videospielen hingewiesen wird. Die Verbraucher werden damit zusätzlich zum Kaufdeskriptor im Spiel vor dem Kauf informiert, dass im betreffenden Videospiel zufallsbasierte Kaufinhalte erworben werden können. Obwohl diese zufallsbasierten Kaufinhalte bereits durch den Kaufdeskriptor im Spiel abgedeckt sind, liefert der Hinweis dem Verbraucher zusätzliche Informationen und verbessert die Transparenz. Dies trägt auch den durch das Gaming Regulators European Forum (GREF) ausgedrückten Vorbehalten Rechnung, das die Branche in seinem Bericht vom Mai 2019 über die fliessenden Grenzen zwischen Glücksspielen und Videospielen zu präziseren Verbraucherinformationen aufgerufen hat, beispielsweise hinsichtlich der Bedeutung des auf In-Game-Käufe hinweisenden Deskriptors.

Um die Transparenz weiter zu verbessern, haben sich die Hersteller und Plattformen im August 2019 branchenweit verpflichtet, bei In-Game-Käufen, die zufallsbasierte Kaufinhalte umfassen, im Laufe des Jahres 2020 die Wahrscheinlichkeiten anzugeben, mit denen Lootboxen zufallsbasierte Kaufinhalte enthalten[5]. Die wichtigsten angeschlossenen Konsolenhersteller setzen derzeit eine neue Politik um: Werden in den für ihre Plattform entwickelten Videospielen zahlungspflichtige Lootboxen eingesetzt, werden Angaben über die relative Häufigkeit oder die Wahrscheinlichkeit gemacht, mit der im Spiel virtuelle Objekte angeboten werden[6].

Microsoft hat im vergangenen Oktober nahezu identische Vorschriften für die Offenlegung der Wahrscheinlichkeiten für Xbox One und Windows-PCs veröffentlicht. Die betreffenden Vorschriften sind am 1. Januar 2020 in Kraft getreten[7]. Nintendo hat seine Richtlinie betreffend die Veröffentlichung der Wahrscheinlichkeiten Mitte April herausgegeben. Diese Richtlinie ist am 13. Mai 2020 für alle Anbieter in Kraft getreten, die Spiele für Nintendo Switch veröffentlichen. Sony Interactive Entertainment hat seine Offenlegungsvorschriften Anfang Juni herausgegeben, die alle Spiele betreffen, die ab dem 1. Oktober 2020 für die PlayStation-Plattform veröffentlicht werden.

Darüber hinaus informieren bereits zahlreiche der IFSE und der SIEA angeschlossene Anbieter von Videospielen ihre Spieler über die relative Häufigkeit oder die Wahrscheinlichkeit, mit der sie in ihren Spielen virtuelle Gegenstände erhalten[8]. Die betreffenden Angaben gelten für neue Spiele sowie für Aktualisierungen bestehender Spiele und werden einfach verständlich sowie leicht zugänglich zur Verfügung gestellt.

Der App Store und der Google Play Store verlangen seit 2017, dass die Unternehmen vor dem Kauf den möglichen Umfang von In-Game-Käufen auf der Seite des Spieleshops offenlegen und über die Wahrscheinlichkeit von Lootbox-Inhalten informieren.

Die Behörden haben sich bisweilen besorgt über die Tatsache geäussert, dass die Anbieter von Videospielen die Daten der Spieler hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, spezielle Gegenstände in Lootboxen zu erhalten, manipulieren könnten[9]. Unsere Mitglieder halten sich als verantwortungsvolle Unternehmen in ganz Europa an die Vertraulichkeitsvorgaben der DSGVO und beteiligen sich nicht an Tätigkeiten wie einer „absichtlichen Manipulation einzelner Spieler oder von Spielergruppen“. Sie manipulieren weder die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Gegenstände in Lootboxen gelegt werden, noch wenden sie ähnliche Mechanismen auf Grundlage der Spielerdaten oder des Spielerprofils an.

Die betreffenden Daten sind wesentlich für den kreativen Prozess im Rahmen der Entwicklung und Veröffentlichung von Videospielen. Bei der Analyse und Erhebung der Daten beachten die Unternehmen ausnahmslos die geltenden Datenschutzgesetze. Die Mitglieder der SIEA und des europäischen Branchenverbands ISFE legen weder Preise oder Angebote noch den Zeitpunkt von Angeboten an Spieler auf Grundlage von Daten fest, die sich auf die psychische Verfassung der Spieler beziehen. Die Spieler werden gleich behandelt.

Wir weisen jegliche Andeutung, dass wir unsere Spieler „manipulieren“, um sie dazu zu bewegen, Geld für Lootboxen auszugeben oder weiterhin auszugeben, entschieden zurück. Unsere Branche hält sich in jeglicher Hinsicht an die geltenden Regelungen und Gesetze über den Verbraucherschutz, die auf europäischer Ebene harmonisiert und auf nationaler Ebene umgesetzt werden.

Anbieter von Videospielen unterliegen gemäss DSGVO strengen Transparenzpflichten, zu denen es auch gehört, dass die Spieler über den Zweck und die Rechtsgrundlage der Verarbeitung personenbezogener Daten informiert werden. In diesem Zusammenhang muss auch angegeben werden, ob die betreffende Datenverarbeitung auf einer automatisierten Entscheidung, zu der auch das Profiling gehört, basiert. Diese Informationen werden in verständlicher Form und leicht zugänglich zur Verfügung gestellt. Jeder Spieler kann jederzeit sein Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten geltend machen.

 

Zusammenfassung

Die Videospielbranche möchte einerseits Eltern und Angehörige über Möglichkeiten der elterlichen Kontrolle informieren, die alle wichtigen Videospiel-Plattformen und -Geräte bieten, und empfiehlt andererseits, diese auch zu nutzen. Die Branche hat erheblich in diese Tools investiert, die kontinuierlich aktualisiert und verbessert werden. Sie ermöglichen es den Eltern, (i) den Zugang zu Spielen mit bestimmten Altersempfehlungen von PEGI zu beschränken, (ii) das Spielen zeitlich zu beschränken, (iii) jegliche Ausgaben innerhalb des Spiels zu kontrollieren oder zu deaktivieren und (iv) festzulegen, inwieweit ein Kind mit anderen Spielern online interagieren kann (Online-Datenschutz).

Der europäische Branchenverband ISFE beauftragt seit dem Jahr 2018 Ipsos MORI mit der Durchführung einer alljährlichen Umfrage über die Ausgaben von Kindern in Spielen und die elterliche Kontrolle/Überwachung betreffend die In-Game-Ausgaben der Kinder. Ein Drittel der Kinder (6 bis 15 Jahre), die spielen, geben innerhalb der Spiele Geld aus. Der Anteil ist jedoch zwischen 2018 und 2019 von 42% auf 36% gesunken. Darüber hinaus sprechen mehr und mehr Eltern die Ausgaben in Spielen mit den Kindern ab: Im Jahr 2019 gaben 85% (gegenüber 79% im Jahr 2018) der Eltern an, mit ihren Kindern Vereinbarungen getroffen zu haben.

Weltweit spielen 2,5 Milliarden Menschen Videospiele. Und obwohl die meisten Videospiele nur zur Unterhaltung gespielt werden, sind sie auch ein wichtiges Hilfsmittel im Bildungs- und Gesundheitsbereich[10]. Es konnte nachgewiesen werden, dass das Spielen deutliche Vorteile mit sich bringt, wie die Entwicklung des strategischen Denkens, die Entwicklung der Sprache und den Aufbau sozialer Bindungen (national und international) zwischen den Spielern[11].

Die Tatsache, dass über 50% der Menschen in allen Altersgruppen Videospiele spielen, zeigt, dass ein Bedarf nach diesen Spielen besteht und sie ein fester Bestandteil des Lebens im 21. Jahrhundert sind.

Die Videospielbranche entwickelt sich ständig weiter: neue Technologien, neue Plattformen, neue Geschäftsmodelle. Sie ist eine kreative und innovative Branche, die sich kontinuierlich verändert. Die Videospielbranche passt Jahr für Jahr regelmässig ihre Regeln und Vorschriften an, um ein für die Spieler sicheres und angenehmes Umfeld zu schaffen – von der PEGI-Norm über die Inhaltsdeskriptoren, die Einhaltung nationaler und internationaler Vorschriften, Kundenbefragungen, mobile Apps oder die Veröffentlichung spezifischer Informationen bis hin zur elterlichen Kontrolle.

Für alle weiteren Informationen stehen wir gerne zu Ihrer Verfügung:

Nicolas Akladios

Vizepräsident

Swiss Interactive Entertainment Association (SIEA)

Route du Levant 45 – 1475 Forel

Schweiz

Mobile: +41 (0)79 294 10 85

contact@siea.ch

@SIEA_CH

www.siea.ch

Ann BECKER

Head of Policy & Public Affairs

Interactive Software Federation of Europe (ISFE)

Rue Guimard 15 – 1040 Brüssel

Belgien

Tel.: +32 2 612 17 75

Ann.Becker@isfe.eu

@ISFE_Games

www.isfe.eu

 

[1] Kleine Käufe sind beispielsweise im Spielzeugbereich üblich, um Zusatzmodule zu kaufen, die das Spielumfeld des Kindes verbessern (Zukauf eines neuen Fahrzeugs oder neuer Kleidung für die Puppe, z. B. bei Playmobil, Lego-Sets, Zubehör für Barbie-Puppen).

[2] 14% aller durch die IARC eingestuften Spiele (rein digitale Spiele) haben den Deskriptor für In-Game-Käufe erhalten. Bei PEGI sind es knapp 20%.

[3] https://pegi.info/news/new-in-game-purchases-descriptor

[4] https://pegi.info/news/pegi-introduces-feature-notice

[5] https://www.isfe.eu/news/video-game-industry-commitments-to-further-inform-consumer-purchase/

[6] Sony Interactive Entertainment, Betreiber der PlayStation-Plattform, Microsoft, Anbieter der Xbox und von Windows, sowie Nintendo, Betreiber der Spieleplattform Nintendo Switch.

[7] Die Einzelheiten der Vorschriften für Windows können hier unter Abschnitt 10.8.4 abgerufen werden.

[8] Zu den vielen Anbietern, die sich diesbezüglich verpflichtet haben, gehören folgende Unternehmen: Activision Blizzard, BANDAI NAMCO Entertainment, Bethesda, Bungie, EA, Epic, Konami, Microsoft, Nexon, Nintendo, Sony Interactive Entertainment, Supercell, Square Enix, Take-Two Interactive, THQ Nordic, Ubisoft, Warner Bros. Interactive Entertainment sowie Wizards of the Coast.

[9] Untersuchungsbericht zu Lootboxen, 2018, belgische Kommission für Glücksspiele.

[10] „Games in Schools“ ist eine gemeinsame Initiative des europäischen Netzwerks Schoolnet, in dem die europäischen Bildungsministerien vertreten sind, sowie der ISFE. Die Initiative hilft Lehrkräften, traditionelle Unterrichts- und Lernformen durch Einbeziehung spielerischer Elemente zu verbessern: https://bit.ly/2QXjeYL. „Digital School House“ unterstützt das Lernen durch Spiele und soll die nächste Schüler- und Lehrergeneration auf die digitalisierte Welt vorbereiten: https://www.digitalschoolhouse.org.uk/.

[11] The Benefits of Playing video games: Isabela Granic, Adam Lobel und Rutger C. M. E. Engels, Radboud-Universität Nijmegen: https://www.apa.org/pubs/journals/releases/amp-a0034857.pdf.